„Teilhabe ist nicht verhandelbar“– Demonstration gegen „Liste der Grausamkeiten“ in Dresden
4. Dezember 2024 - 19:09 Uhr
Die von Oberbürgermeister Hilbert anvisierten Kürzungen am Dresdner Haushalt stoßen auf viel Ablehnung. Das zeigte sich einmal mehr am 21. November bei der Kundgebung des Bündnis gegen Kürzungen Dresden, ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden, Trägern der Jugend- und Sozialarbeit, und zahlreicher weiterer Gruppen. Zwischen 2500 und 3000 Menschen fanden sich vor dem Dresdner Rathaus ein, um gegen die Kürzungspolitik zu demonstrieren, darunter viele Kinder und Jugendliche sowie betroffene Einrichtungen aus Sozialem und Kultur.
Das Bündnis gegen Kürzungen kritisiert, dass auf der Liste der zu kürzenden Ausgaben vor allem solche stehen, die für die öffentliche Infrastruktur, für soziale Teilhabe, Kunst und Kultur zu finden sind. Diese Vorgehensweise gefährde den sozialen Zusammenhalt und die Sicherheit der Stadt. Außerdem verursache sie auf lange Sicht mehr Kosten, als sie einsparen könne.
Jenseits der Kosten-Nutzen-Rechnungen seien gesellschaftliche Teilhabe, Beratung und Hilfe für von Gewalt, Ausgrenzung und Armut betroffene Menschen, sowie eine gute, zugängliche Gesundheitsversorgung aber nicht verhandelbar. Gerade in einer der reichsten Gesellschaften der Welt sei die Kürzungspolitik nicht etwa alternativlos, sondern ein politisch motivierter Angriff auf die Gesellschaft.
Breite Kürzungen – breiter Protest
Nach Informationen der Dresdner Neuesten Nachrichten haben zahlreiche Vereinen und Arbeitgeber*innen in den vergangenen Monaten vorläufige Informationen über die anstehenden Kürzungen erhalten. Darunter sind quasi alle Träger der Jugend- und Sozialarbeit. Auf der Kürzungsliste steht etwa die Straßensozialarbeit von Safe DD. Sie richtet sich an Personen, die legale oder illegale Drogen konsumieren und die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden, häufig verbunden mit Wohnungslosigkeit. Damit würde die Arbeit für Menschen in krasser Notlage einfach verschwinden
Darüberhinaus sind aber auch die Feuerwehr, Museen, Theater, Schwimmbäder und Kindertagesstätten betroffen. Eltern drohen höhere Kitabeiträge. Auch Bus und Bahn sollen den Plänen zufolge weniger häufig fahren. Einen Überblick über die Kürzungen, auch „Liste der Grausamkeiten“ genannt, hat das Bündnis erstellt. Außerdem berichteten betroffene Einrichtungen darüber bei einer Anhörung .
Entsprechend vielfältig war nun auch der Protest aufgestellt. Vor dem Dresdner Rathaus sprachen Vertreter*innen von unter anderen der Beratungsstelle GerDA, die Betroffene von Demenz und ihre Angehörigen berät mit dem Ziel, möglichst lange selbstständig zu leben. Diese Beratung droht, ersatzlos wegzufallen. Schüler*innen einer 8. Klasse aus dem Stadtteil Johannstadt sprachen in ihrem Redebeitrag von einem dringenden neuen Schulgebäude im Stadtteil: „Unsere Pflicht, zur Schule gehen, eure Pflicht, dass Schulhäuser stehen!“
„Kürzt die Reichen, nicht die Kurzen“
Das Bündnis gegen Kürzungen verwehrt sich dabei dagegen, die vielfältigen Projekte und Einrichtungen gegeneinander ausspielen zu lassen: „In den öffentlichen Diskussionen werden die Ursachen der Kürzungen häufig in den Tariferhöhungen, den Kosten für die Integration von Migrant*innen und Geflüchteten und den Kosten für Menschen mit Behinderungen gesucht. Diese Darstellung ist nicht zutreffend. Das Geld fehlt in Wirklichkeit, weil sowohl der Bund als auch das Land den Kommunen deutlich weniger Finanzmittel zur Verfügung stellen. Deshalb werden Dresden im nächsten Jahr 70 Millionen Euro und 2026 sogar 80 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen.
Es sind also politische Gründe: die herrschende Politik besteht auf der Schuldenbremse, sie erhebt keine Steuern auf den enormen Reichtum, der sich in den Händen Weniger sammelt, und sie stellt Geld für Rüstung und Steuergeschenke für Superreiche zur Verfügung, die von der arbeitenden bzw. armen Bevölkerung bezahlt werden sollen. Auf diese Weise werden die öffentlichen Kassen geleert. Dabei wäre genug Geld da, um diese Kürzungen abzuwenden.“ Das Bündnis fordert entsprechend, nicht zu kürzen, sondern Reiche zu besteuern und eher auf teure Prestigeprojekte zu verzichten.
Eine Petition mit dem Titel „Kürzungen? Nicht mit uns!“ sammelte in nur wenigen Wochen bereits mehr als 20.000 Unterschriften. Noch bis zum 11. Dezember können Dresdner Bürger*innen zudem „Einwendungen zum Haushaltsentwurf“ einbringen; das Bündnis stellt Vorlagen dazu bereit. Stadträt*innen von Linken, Grünen, Dissident*innen und SPD haben sich der Kritik am Spar-Haushalt angeschlossen. So steht unter anderem das Verschuldungsverbot in der Kritik, weil es notwendige Investitionen verhindere.
Kritik an Polizeieinsatz
Im Verlauf der Demo kam es auch zu einem Polizeieinsatz, als vier Personen die Fahnenmasten vor dem Rathaus bekletterten. Sie brachten dort schlussendlich ein Transparent mit der Aufschrift „Kürzungen töten! … Die, die es am schwersten haben. Umverteilung jetzt!“ Der Polizeieinsatz wurde von Teilnehmer*innen sowie Kundgebungsleitung scharf kritisiert. Die Beamt*innen hatten Pfefferspray eingesetzt, obwohl die Kundgebung friedlich verlief. Dies wurde als unverhältnismäßig und beängstigend kritisiert. Außerdem waren zahlreiche Kinder und alte Menschen anwesend. Die Polizei spricht ihrerseits von 30 Vermummten und sieben verletzten Polizist*innen. Dieser Darstellung wird jedoch von Teilnehmenden und Beobachter*innen deutlich widersprochen. Weder das Hängen des Transparentes noch die Kundgebung hätten Anlass zu diesem Polizeieinsatz gegeben.
Veröffentlicht am 4. Dezember 2024 um 19:09 Uhr von Redaktion in Soziales